Dr. Albrecht Schödl, evangelischer Pfarrer, lebt und arbeitet seit 2007 im Kloster Volkenroda. Wir haben uns mit ihm zu einer Führung über das Klostergelände vor der Klosterpforte verabredet und wollten uns nebenbei über sein Wirken im Kloster unterhalten. Nach 45 Minuten stehen wir tatsächlich noch am selben Fleck vor der Pforte. Unser Gespräch war zu spannend, um es nebenher bei einem Rundgang zu führen. Unsere geplante Tour über das Gelände haben wir im Anschluss an unser Interview nachgeholt.

Pfarrer Schödl
Pfarrer Dr. Schödl im Christus-Pavillon, dem architektonischen Herzstück des Klosters

Was ist für Sie das Besondere hier im Kloster Volkenroda?

Wir haben Angebote und Räume für Menschen, die vielleicht in der Amtskirche nicht mehr andocken können oder wollen. Wir sind zwar auch Kirche, aber auf eine andere Art und Weise. Unser modernes Kloster hängt nicht in starren Strukturen, vor allem nicht finanziell. Von Anfang an war klar, dass wir viel über Fundraising und Spenden ermöglichen müssen. Nur so kann meiner Meinung nach die Kirche am Puls der Zeit und agil bleiben.

Vielleicht hilft ein kleiner Exkurs dem Verständnis: An die Spende der Evangelischen Kirche Deutschlands für den Christus-Pavillon auf der EXPO waren drei Bedingungen geknüpft. Er sollte mit erheblichen Mitteln aus der freien Wirtschaft finanziert werden. Deswegen sind die hauptsächlich verbauten Materialien aus Stahl und Glas, die von großen Unternehmen gespendet wurden. Die zweite Bedingung war, dass das Gebäude nachhaltig ist und nach der EXPO weiter nutzbar bleibt. Die dritte Auflage besagte, dass der Pavillon ein ökumenisches Gotteshaus sein soll.

Die drei oben genannten Bedingungen – Spenden, Nachhaltigkeit und Ökumene – werden für die Kirche der Zukunft entscheidend sein. Außerdem braucht es wie hier, in diesem modernen Kloster, flexiblere Modelle. Es fehlt dann zwar das starke Sicherheitsnetz der Amtskirchen, dafür gibt es aber eine starke Rückbindung an einen Förderkreis. Heute sind alternative Finanzierungsmöglichkeiten gefragt. Außerdem waren schon die Zisterzienser, unsere Vorgänger im Kloster Volkenroda, erfolgreiche Unternehmer ihrer Zeit.

Ich sehe den Innovationsdruck sogar in geistlicher Hinsicht als Vorteil, denn so ein Projekt wie hier ist ja in erster Linie ein Glaubenswerk. Wir planen in unser jährliches Budget einen Anteil an Spenden ein. Wir wissen, dass wir nicht alles selbst in der Hand haben, sondern auf Gottes Segen vertrauen müssen. Das tut einem kirchlichen Ort, wie wir ja einer sind, sehr gut.

Welche Stelle füllen Sie hier im Kloster Volkenroda aus?

Für das Kloster Volkenroda wurde von der Evangelischen Kirche eine maßgeschneiderte Stelle geschaffen, die ich innehabe. Ursprünglich wurde – noch von der hessischen Landeskirche – eine Projektstelle geschaffen, die ein Pfarrer der Jesus-Bruderschaft Gnadenthal übernommen hatte. Leider ist mein Vorgänger überraschend verstorben, worauf die Stelle von der Thüringischen Kirche neu eingerichtet wurde. Ich habe mich darauf beworben und bin seit 14 Jahren der interne Klosterpfarrer. Ich betreue also keine klassische Pfarrgemeinde, sondern eine sogenannte Profilgemeinde. So wird eine Gemeinde genannt, die sich in freien Werken, wie wir eines sind, versammelt. Die Landeskirche fördert meine Stelle mit einem Zuschuss zu meinem Gehalt von 75 Prozent, die übrigen 25 Prozent werden von den umliegenden Kirchenkreisen getragen. Eine solche Sonderpfarrstelle bleibt projektbezogen und befristet. Für mich bedeutet das, dass ich in zwei oder drei Jahren zu neuen Ufern aufbrechen werde.

Lektor
Im Kloster Volkenroda werden Lektorinnen und Lektoren ausgebildet, die das Wort Gottes in ihre Gemeinden tragen.

Welche inhaltlichen Programme haben Sie in den letzten 14 Jahren aufgebaut?

Die ganz bedeutenden Schritte – wie die Entwicklung eines Jugendbildungszentrums und der Aufbau des Christus-Pavillon – sind vor meiner Zeit geschehen. Da sind ja im Grunde die aufregenden Dinge, bei denen Millionen Euro bewegt wurden.

Ich durfte danach ein wenig kleinere Brötchen backen. So konnte ich mithelfen, dass die Gottesdienste stärker wahr- und angenommen wurden. Zum einen von Leuten aus der Region, zum anderen von unseren Gästen. Inhaltlich bin ich für unsere drei Gebetszeiten am Tag und den täglichen Gottesdienst zuständig.

Zusätzlich konnte ich die Angebote unserer Erwachsenenbildung wie die Fortbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vorantreiben. In der Evangelischen Landeskirche gibt es sogenannte Lektoren, die ehrenamtlich Gottesdienste gestalten können. Für dieses Weiterbildungsprogramm kommen Menschen aus der ganzen Landeskirche zu uns und werden als kirchliche Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die für insgesamt zehn Seminartage hierher kommen, nehmen etwas von der Spiritualität und dem guten Geist von hier mit nach Hause in ihre Heimatgemeinden. Dieses Feedback bekommen wir oft am Ende der Weiterbildung.

Vor Kurzem haben wir noch ein Pilotprojekt mit dem Namen Gemeindekümmerer gestartet, das sich ebenso an Ehrenamtliche richtet. Mit diesem neuen Ausbildungsformat der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland werden engagierte Christinnen und Christen dazu befähigt, Gesicht der Kirche vor Ort zu sein. Ausbildungsinhalte sind unter anderem die Andachtsgestaltung, Trainings in Kommunikations- und Gesprächsführung, Zugänge zum Bibellesen und Beten und Ideen für aktive Nachbarschaftshilfe.

Ich freue mich besonders über die Wechselwirkung des Kloster Volkenroda und Interessierten aus der Kirche. Wir bilden und senden mündige Christinnen und Christen aus, die ihre Verantwortung wahrnehmen. Mittlerweile haben wir schon einige hundert Menschen in verschiedenen Formaten ausgebildet.

Raten Sie anderen, vor allem spirituellen Nachnutzern, dazu, sich ähnlich aufzustellen?

Ja, auf jeden Fall. Gerade was den Bereich der Spenden betrifft. Ich merke, dass die Menschen gerne geben, wenn sie wissen, wofür ihr Geld verwendet wird. Das ist für mich ein Modell der Zukunft. Menschen in der Kirche, auch in neuen Aufbrüchen, werden weniger werden. Umso wichtiger ist, eine starke Wechselwirkung und Bindung untereinander aufzubauen. Dabei möchte ich nicht die Amtskirche gegen neue kirchliche Formen ausspielen. Vielmehr sehe ich die Polarität beider Seiten als fruchtbringend. Menschen, die aus der Amtskirche kommen und bei uns Programme machen, gehen gestärkt zurück in ihre Heimatgemeinden. Aber sie bringen auch Dinge mit, die uns guttun.

Was ich wichtig finde und was auch hier der Fall war: Beim Wiederaufbau des Kloster Volkenroda gab es zuerst das große ehrenamtliche Engagement von Einzelpersonen, allen voran Frau Ulrike Köhler. Nach einiger Zeit kamen mehr Personen und finanzielle Mittel dazu, auch durch staatliche Förderung. Zuerst aber war der Impuls und die Leidenschaft, etwas Neues zu wagen. Diese Reihenfolge finde ich entscheidend.

Anders gesagt: Fangen Sie mit einer kleinen Keimzelle aus ein oder zwei Personen an. Jesus sagte ja auch „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“. Aus dem Feuer einer kleinen Zelle kann etwas Neues erwachsen und entstehen.

Nach Ihrer persönlichen Erfahrung als Pfarrer hier im Kloster Volkenroda: Könnten Sie sich vorstellen, wieder eine klassische Pfarrstelle in der Landeskirche anzunehmen? Was sind Ihre Pläne?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ich bin sehr gerne hier, aber auch gerne Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Im Kloster Volkenroda zu arbeiten, ist eine sehr intensive Erfahrung und es bleibt spannend, was als nächste Aufgabe auf mich zukommen wird. Was mir an diesem Ort auf jeden Fall gefällt, ist der persönliche Kontakt zu den Menschen. Tatsächlich weiß ich aber noch nicht, wo es mich hinziehen wird. Übrigens auch nicht, wer meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger werden wird. Noch bin ich aber hier und gestalte mit!