Chance für den Wohnungsmarkt – Klöster als gemeinwohlorientierte Wohnprojekte

Rund 42 Prozent aller Haushalte in Deutschland sind Einpersonenhaushalte, in der Stadt liegt der Anteil noch höher. Die Tendenz für die nächsten Jahre ist weiter steigend. Diese Entwicklung verändert die Nachfrage nach Wohnraum und Wohnungsangebot. Auch die genutzten Quadratmeter pro Kopf nehmen stetig zu.

Dabei ist bezahlbarer Wohnraum in Deutschland knapp. Berufstätige pendeln zu ihrer Arbeitsstätte in andere Städte, weil die Arbeit am Wohnort fehlt und umgekehrt. Viele Menschen wünschen sich eine Wohnumgebung, die ihnen Selbstbestimmung und Selbstständigkeit bietet, aber beispielsweise im Alter auch die nötige Versorgung. Es mangelt an kleinen Wohneinheiten und einem sozialen Netzwerk in der Nachbarschaft, nicht nur für Seniorinnen und Senioren, sondern auch für jüngere Alleinstehende und Familien.

Die Trennung der Funktionsbereiche (Wohnen, Arbeiten, Versorgung, soziale Teilhabe und kultureller Austausch) hat in den letzten Jahrzehnten zu großen sozialräumlichen und ökologischen Problemlagen geführt. Sowohl in Städten als auch in ländlich strukturierten Regionen sind hier Lösungsansätze gefragt. Klöster haben diese Trennung in ihrer Bausubstanz seit Jahrhunderten aufgelöst. So lässt sich das Wohnen im Klostergebäude nahtlos weiter eng an Funktionsfeldern (Bildung, Kultur, Handwerk, heute ergänzt durch digitale Arbeitszusammenhänge) organisieren. Dies ist eine große Chance, bedingt aber für die Art des Wohnens zumindest teilweise einen Paradigmenwechsel.

Hier haben sich in den letzten Jahren innovative, teils am Gemeinwohl orientierte Wohnprojekte entwickelt, die Lösungen abseits vom Mainstream bieten können.

Treffen diese Ideen auf leer fallende Klöster, bieten sie eine große Chance, gerade für den ländlichen Raum. So waren und sind Klöster doch Orte des gemeinsamen Lebens und Wirtschaftens. Ein weiterer Vorteil ist, dass bereits eine soziale und versorgungstechnische Infrastruktur besteht, auch volks- und stadtwirtschaftlich ist eine Weiternutzung zu Wohnzwecken sinnvoll. Bestehende Gebäude werden weiterhin in gleicher Weise genutzt und der ländliche Raum wird nach innen entwickelt, ohne neue Flächen ausweisen und Infrastruktur schaffen zu müssen.

Bewohnerin beim Arbeiten
Im Kloster Schlehdorf wird nicht nur gewohnt, sondern auch gearbeitet.

Umbau statt Neubau – eine gute Rechnung

Ein Umbau anstelle eines Neubaus lohnt sich meist auch betriebswirtschaftlich, selbst wenn durch den Denkmalschutz und Brandschutz Mehrkosten entstehen. Der Bestandsschutz und die Möglichkeit der Bebaubarkeit des Grundstücks liefern ein wichtiges Argument für den Erhalt des Gebäudes. Außerdem wird so ein nachhaltigerer und klimafreundlicher Umgang mit Ressourcen praktiziert. Eine Kombination aus Umbau und Neubau scheint eine gelungene Alternative zu sein, um auch in die Jahre gekommene Quartiere weiter zu entwickeln und auf eine neue Zielgruppe auszurichten. Hierbei sind Kompromisse erforderlich, um die nötige Wohnqualität zu erreichen (wie etwa mit Blick auf Balkone oder Wärmeschutz).

Eine Umnutzung statt eines Abrisses bietet die Möglichkeit, das kulturelle Erbe an denkmalgeschützten Bauten zu erhalten – vorausgesetzt, dass wirtschaftlich vertretbare Nutzungen gefunden werden. Zusätzlich kommt die Nachnutzung als Gemeinschafts-Wohnprojekt dem Grundgedanken der Ordensgemeinschaften sehr nah.
Eine Umnutzung als reine Kapitalanlage stößt in der Regel bei Ordensgemeinschaften auf wenig Interesse.

Bei der Nach- und Umnutzung im Bereich des Wohnens und Bauens lohnt sich eine Orientierung an den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030. Dieses Programm haben die Vereinten Nationen im Jahr 2015 verabschiedet und 17 Nachhaltigkeitsziele ausgerufen.

Zukunftsorientierte Beispiele aus noch aktiven und ehemaligen Klöstern

Die Franziskanerinnen vom Kloster Reute entwickeln ihr Kloster als Quartier weiter und stellen Wohnraum zur Verfügung. Auf dem Klosterberg entsteht ein generationengerechtes und generationenübergreifendes Wohnquartier.

Eine Mehrgenerationen-Wohngemeinschaft hat das ehemalige Kloster Allerheiligenberg gekauft und aufwendig renoviert. Das jahrhundertealte Gebäude steht neben der Wohnnutzung auch Gästen für Auszeiten und als Tagungsort für Seminare zur Verfügung.

Das ursprüngliche Franziskanerkloster Warendorf an einem attraktiven Standort in der Altstadt ist nun Zuhause für Jung und Alt. Barrierefreie Wohnungen und bezahlbarer Wohnraum für Familien stehen in direkter Nachbarschaft zur Klosterkirche und sind zu einem Wohnquartier geworden.

Eiskasse
Vieles läuft im Kloster Schlehdorf auf Vertrauensbasis.

Wie können geeignete Wohnnutzungen für ein Klostergebäude entwickelt werden?

Es lohnt sich, einen Blick auf bereits bestehende Initiativen zu werfen, um ein zukunftsfähiges Wohnmodell zu entwickeln.

Das Netzwerk Immovielien ist ein gemeinnütziger Verein, der Bildungs- und Vernetzungsformate für Akteurinnen und Akteure der Stadtteil- und Immobilienentwicklung vorantreibt und damit die Entstehung von Immobilien von vielen für viele – sogenannten Immovielien – unterstützt. Als Bündnis von Partnerinnen und Partnern aus Zivilgesellschaft, öffentlicher Hand, Wirtschaft, Wohlfahrt und Wissenschaft setzt sich das Netzwerk für eine Gemeinwohlorientierung in der Immobilien- und Quartiersentwicklung ein.

Der Verein Wohnbund ist ein Netzwerk aus wohnpolitisch engagierten Fachleuten und Organisationen, die mit ihrer Arbeit zur Entwicklung und Realisierung zeitgemäßer Wohnformen beitragen. Er wirkt als Organ der wechselseitigen fachlichen und politischen Vernetzung und kann Anstöße für neue Wohnformen geben.

Im Bereich inklusives Wohnen für Menschen mit Behinderung gibt es unterschiedliche Partner, die ein tragfähiges Konzept mit entwickeln können. Der gemeinnützige Verein Wohnsinn gibt hierzu Ideen und will die Wohnsituation von Menschen mit Behinderung verbessern.

Die Stiftung trias erwirbt als gemeinnütziger Bodenträger Grundstücke und gibt diese im Erbbaurecht an gemeinschaftliche Wohn- und Gewerbeprojekte weiter. Für die Nutzung des Grundstücks entrichten die Nutzer einen Erbbauzins an die Stiftung, der wiederum für den Erwerb neuer Grundstücke und die Umsetzung der Stiftungsziele eingesetzt wird. Die Bodenrente fließt somit über das Wirken der Stiftung zurück in die Gesellschaft. Durch die Stiftungssatzung ist der Weiterverkauf der Grundstücke ausgeschlossen.

Diese Auswahl an möglichen Partnerinnen und Partnern soll Mut machen, eine geeignete Wohnnutzung für ein Kloster zu finden. Des Weiteren darf von bereits umgesetzten Wohnprojekten, nicht unbedingt in Klöstern, gelernt werden.

Stehausschank Schlehdorf
Wohnzimmer eines Clusters im Kloster Schlehdorf

Wohnen geht auch anders – Innovative Wohnmodelle

Clusterwohnen ist ein modernes Wohnmodell, das mehrere Individualbereiche zu einer Wohneinheit zusammenschließt. Idealerweise stehen jedem Individualbereich ein Bad oder Dusche und eine kleine Kochgelegenheit zur Verfügung, um den nötigen privaten Rückzug für die Wohnenden zu ermöglichen. Zusätzlich gibt es Räume, die gemeinschaftlich genutzt werden, wie eine große Küche oder eine Terrasse. Die Münchner Genossenschaft Wagnis eG hat dieses Modell erfolgreich in der Stadt umgesetzt. Die Cohaus Kloster Schlehdorf GmbH zeigt, dass Clusterwohnen in einem ehemaligen Kloster auf dem Land bestens funktioniert.

Auch das sogenannte Cohousing ist ein neues Wohnmodell. Vorreiter ist Dänemark mit über 450 Projekten. In Deutschland, in der Nähe von Düsseldorf, hat die Genossenschaft Wir vom Gut das Cohousing-Modell umgesetzt. Auf einem ehemaligen Rittergut leben generationenübergreifend Familien, Alleinstehende, Senioren und Paare miteinander in einer Cohousing-Gemeinschaft. In über 40 Wohneinheiten findet das private Leben statt. Zusätzlich stehen den Wohnenden 1500 qm Gemeinschaftsfläche zur Verfügung.

In der Nähe von Augsburg hat die Gemeinschaft Schloss Blumenthal ein alternatives Wohnmodell und einen Lernort für gelebte Zukunft aufgebaut. Acht Familien haben das Schloss im Jahr 2006 gemeinsam erworben und die Schloss Blumenthal GmbH und Co. KG gegründet. Mittlerweile leben rund 45 Erwachsene und 20 Kinder vor Ort. Als wirtschaftliche Basis dienen ein Gasthaus mit Hotel und ein Seminarbetrieb. Außerdem wurde eine landwirtschaftliche Genossenschaft für solidarische Landwirtschaft, Hofladen und Käserei gegründet, um eine gemeinwohlorientierte Grundversorgung für die Region zu schaffen. Angetrieben ist die Gemeinschaft vom Gedanken eines alternativen Zusammenlebens und Wirtschaftens in Freiheit und Verantwortung.

Bereits etablierte Wohnformen wie betreutes Wohnen, integratives Wohnen, Mehrgenerationenwohnen oder Frauenwohnprojekte können Impulse für eine Wohnnutzung im Klostergebäude geben. Alle Modelle haben einen gemeinschaftlichen Grundgedanken, der auch bei vielen Ordensgemeinschaften im Vordergrund steht. Die ursprüngliche klösterliche Einteilung der Räume kommt dem Gemeinwohl entgegen: Kleine Zimmer, die als Schlafzimmer für die Ordensgemeinschaften dienten, können als private Rückzugsorte und Wohnräume genutzt werden. Größere Räume wie die Klosterküche, das Refektorium (Speisesaal) oder Fernsehzimmer bieten sich als Gemeinschaftsfläche an.

Wohnen im Kloster – Chancen der Quartiersentwicklung

Zusätzlich kann die Umnutzung des ganzen Klosterareals im Sinne einer nachhaltigen Quartiersentwicklung gedacht werden. Welche Strukturen (Co-Mobilität, Versorgung, kulturelle Angebote, Nachbarschaftshilfe) können geschaffen werden, damit ein Wohnen, Leben und Arbeiten in einem Kloster auf dem Land gelingen kann? Ideen und Impulse können bereits bestehende Quartiere wie das Französische Viertel (Tübingen), der Stadtteil Vauban (Freiburg) oder das sich gerade im Bau befindliche Quartier Prinz-Eugen-Park in München geben.

Leer fallende Klöster bieten die Chance, Wohnen neu zu denken – am besten im Sinne des Gemeinwohls und der Werte der Ordensgemeinschaften.

Abschließend stellt sich die Frage, ob es Möglichkeiten des Zusammenlebens von Ordensgemeinschaft und neuer Bewohnerschaft in einem gemischten Modell gibt. Hier könnten gerade die Nachnutzer viel lernen. Alleine die folgenden zwei Fragen zeigen das große Potenzial dieses Ansatzes: Wie kann das Gebäude gut bewirtschaftet und gepflegt werden? Wie geht Leben in Gemeinschaft?

Antworten darauf könnten helfen, Lösungen auf die drängendsten Fragen und Herausforderungen der aktuellen Wohnproblematik zu finden. Nicht abgetrennt von der Geschichte und dem Erbe der Ordensgemeinschaften, sondern Hand in Hand und gemeinsam an einem Ort – dem Kloster!