Klöster und Ordensgemeinschaften als spiritueller Anker der Zeit
In vielen Gesprächen, die wir mit Ordensfrauen geführt haben, fiel der Satz: Natürlich hätten wir uns eine kirchliche oder spirituelle Transformation unseres Klosters gewünscht, aber leider konnten wir in diesem Bereich keine geeigneten Nachnutzer finden.
Dieser Wunsch ist mehr als nachvollziehbar – waren und sind Klöster doch Orte geweihten und christlichen Lebens. Die Zuwendung zu Gott ist in jeder Ordensgemeinschaft zentraler Mittelpunkt des Ordenslebens, auch wenn sich kontemplative Ordensgemeinschaften mehr dem Gebet und dem Rückzug in die Stille verschreiben und abgeschiedener von der Welt Leben.
Viele Klöster waren seit Jahrhunderten Leuchttürme des Gebets und des Glaubens, der Spiritualität und des mit der Welt geteilten Christentums. So ermutigen sie seit jeher Menschen, im Rahmen von Exerzitien oder geistlicher Begleitung und Seelsorge an ihrer Spiritualität teilzuhaben. Viele Ordensgemeinschaften öffnen die Türen ihrer Kapellen und lassen Interessierte am täglichen Stundengebet teilnehmen. Sie schaffen Räume der Gottesbegegnung, laden andere Menschen in diese Gemeinschaft ein und bleiben dabei stetig auf der Suche nach Gott.
Natürlich unterscheiden sich die Ordensgemeinschaften und Kongregationen in ihrer jeweiligen Ausrichtung des Glaubens, aber der ganz klare Fokus auf Gott und das Eingehen auf die spirituellen Sehnsüchte der Menschen außerhalb des Klosters haben sie gemeinsam.
Spiritualität und Tradition gehören zum ländlichen Raum
Auch baulich sind viele Klöster auf die spirituelle Nutzung ausgerichtet: In eigenen Kirchen und Kapellen kann der Kontemplation nachgegangen und Gottesdiensten beigewohnt werden. Dabei haben nicht nur die Ordensgemeinschaften bei der Aufgabe eines Klosters den Wunsch nach einer christlichen Nachnutzung, sondern oft auch die Menschen vor Ort. Denn das lebendige Christentum der Ordensgemeinschaften prägte über Jahrhunderte die umliegenden Dörfer und Regionen. Nicht selten wurden in den Kirchen der Klöster Ehen gestiftet, Kinder getauft und Menschen zu Grabe getragen. Die großen Feste des kirchlichen Jahreskreises wie Ostern, Christi Himmelfahrt oder Weihnachten werden oft mit der ganzen Dorfbevölkerung gefeiert und die Feste zu Ehren der Ordensgründer gemeinsam begangen.
Gelungene Beispiele spiritueller Nachnutzungen
Was bedeutet dieses Erbe für die Zukunft und welche Möglichkeiten einer spirituellen Nachnutzung gibt es? Hier lohnt ein Blick auf Klöster, in denen diese Transformation bereits gelungen ist.
Das ehemalige Zisterzienserinnen-Kloster Kloster Gnadenthal wird weiterhin hauptsächlich spirituell genutzt. Hier lebt und arbeitet die ökumenische Gemeinschaft Jesus-Bruderschaft. Ihr Leben ist geprägt durch tägliches Gebet, Gemeinschaft und Arbeit. Diese Neuausrichtung führt das kontemplative Leben der Zisterzienserinnen auf andere Art und Weise weiter.
Ungewöhnliche Wege der spirituellen Nachnutzung geht ein Kloster bei Griesstätt in Bayern: Das Father’s House for all Nations (FHN) war ein ehemaliges Kloster der Dominikanerinnen. Es wurde im Jahr 2014 von zwei gläubigen Privatpersonen gekauft und unter anderem in ein geistliches Zentrum mit Gäste- und Seminarbetrieb umgebaut.
Neue Wege und Netzwerke suchen
Bei der Suche nach einer spirituellen Nachnutzung können neue Gemeinschaften und Projekte als Ideengeber Impulse für eine spirituelle Nachnutzung geben und als Ansprechpartner dienen. Die Frage wird immer sein, wie Nachnutzer und Ordensgemeinschaften zusammenkommen und voneinander erfahren. Drei Initiativen, die dabei helfen können, werden im Folgenden vorgestellt.
Networking Intentional Christian Communities (NICC) untersucht die Zukunftsperspektiven religiöser Lebensgemeinschaften in Deutschland, den Niederlanden und Flandern. Grundgedanke des Projekts, das von 2020 bis 2023 läuft, ist die Förderung und Unterstützung vitaler kirchlicher Gemeinschaften durch den Aufbau eines verstärkten Netzwerks zukunftsorientierter, lebensfähiger, christlicher Lebensgemeinschaften in der römisch-katholischen und evangelischen Kirche in den drei oben genannten Regionen. Der Begriff Intentional Christian Community (ICC) steht für alle Formen des organisierten religiösen Gemeinschaftslebens und schließt traditionelle Formen von Gemeinschaften des geweihten Lebens (Ordensgemeinschaften und Kongregationen) ein, ist aber nicht darauf beschränkt.
Der gemeinnützige Verein Klosterleben engagiert sich für den Erhalt der Klosterlandschaft in der Schweiz und leistet hierzu ausführliche Forschungsarbeit. Denn auch in der Schweiz wird ohne eine genauere Untersuchung der Klosterlandschaft und ohne Einbeziehung von antizipierten zukünftigen Nutzungen das Aufsplittern klösterlicher Strukturen weitergehen. Zudem werden sich Umwidmungen etablieren, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Klöster sollen auch in Zukunft ihre Geschichtlichkeit ausfüllen können. Dafür macht sich der Verein Klosterleben stark.
Future for Religious Heritage (FRH), gegründet im Jahr 2011, will das einzigartige und verschiedenartige religiöse Erbe in Europa bewahren und in die Zukunft führen. Als unabhängige, gemeinnützige und nicht religiöse Organisation bringt sie viele ähnliche Projekte und interessierte Einzelpersonen in einem europaweiten Netzwerk zusammen. Ziel ist es, die Politik und die Öffentlichkeit bei Veranstaltungen und Foren auf das Thema aufmerksam zu machen.
Anregungen für die Suche nach einer spirituellen Nachnutzung
Hier kann der Blick über die eigene Spiritualität hinaus gefragt sein. Spirituelle und kirchliche Nachnutzungen sind möglich, selbst wenn das Kloster nicht von der katholischen oder evangelischen Amtskirche übernommen wird.
Folgende Fragen können dabei helfen:
- Was sind die zentralen Aspekte der eigenen Spiritualität und wie können sie in die heutige Zeit übersetzt werden? Was ist die Grundessenz und was kann das Fundament für die (nicht nur spirituelle) Nachnutzung bilden?
- Gibt es andere Ordensgemeinschaften, die eine ähnliche geistige Ausrichtung haben und mit denen Sie sich austauschen und vielleicht verbinden können, um gemeinsam das Kloster weiter zu beleben?
- Gibt es Laiengemeinschaften in Ihrer Ordensgemeinschaft, die Räume füllen könnten? Welche neuen Formen des Glauben und Gemeinschaften entstehen gerade? Was ist das Bedürfnis der jeweiligen Zeit?
- Gibt es Ansprechpartnerinnen und -partner, mit denen Sie auf Kongressen oder Veranstaltungen in Kontakt kommen können?
- Ist es für Sie als Ordensgemeinschaft wichtig, die eigene Spiritualität im Kloster zu bewahren? Wäre hier die Gründung eines Fördervereins eine Möglichkeit, der die Spiritualität Ihrer Ordensgemeinschaft weiter im Kloster aufrechterhält? Das kann durch ein festgeschriebenes wöchentliches Nutzungsrecht, beispielsweise für die Kapelle oder Kirche, umgesetzt werden.
Die spirituelle Nachnutzung im Kloster Volkenroda haben wir im Detail beleuchtet.
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