An der Transformation in Kloster Hegne waren zwei externe Personen maßgeblich beteiligt. Beide sind Fachleute auf ihrem jeweiligen Gebiet und haben den spirituellen Organisationsentwicklungsprozess eng begleitet. Elsbeth Caspar, eine katholische Theologin und Supervisorin, sowie Andreas Käter, der mit seiner Firma Lernen neu Erleben (LNE) seit zwölf Jahren mittelständische Unternehmen zukunftsfähig macht. Bei unserem Gespräch, das wir mit den beiden via Zoom geführt haben, sollte es konkret um den Prozess im Kloster Hegne gehen. Entstanden ist ein Dialog, der viel weiter über das Projekt hinausdenkt und einen Bogen zur heutigen Situation der Klöster spannt.

Die Theologin Elsbeth Caspar

Vor Ihrer gemeinsamen Zusammenarbeit im Kloster Hegne kannten Sie sich nicht. Die Ordensgemeinschaft wollte Sie beide aber als Tandem für den spirituellen Organisationsentwicklungsprozess engagieren. Wie haben Sie auf diese Anfrage reagiert?

Caspar: Das war das erste Mal, dass ich mit einem unbekannten Partner einen solchen Prozess begleiten sollte. Ehrlicherweise war damit am Anfang eine gewisse Unsicherheit verbunden. Unseren ersten Workshop haben wir gemeinsam gehalten, ohne uns vorher persönlich begegnet zu sein. Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt schon drei Jahre als Supervisorin für die Provinzleitung in Hegne tätig. Ich wusste also, welche Kraft die Gemeinschaft hat. Im Jahr 2013 habe ich als Theologin das Provinzkapitel begleitet, bei dem sich herauskristallisiert hat, dass sich die Ordensgemeinschaft und das Kloster Hegne neu aufstellen müssen. Ich war also tief mit der Vision verbunden und von dieser spannenden Aufgabe, einen spirituellen Organisationsentwicklungsprozess mitgestalten zu können, begeistert. Außerdem habe ich schnell gemerkt, dass Andreas Käter und ich gemeinsame Werte haben. Manchmal gilt es einfach, etwas zu wagen und ins kalte Wasser zu springen.

Käter: Für mich war es natürlich auch aufregend und ich finde, dass wir beide ganz schön mutig waren. Ich habe dann schnell gemerkt, dass wir menschlich und fachlich ein gutes Team sind. Jemand wie Elsbeth Caspar, die fundiert weiß, wie spirituelle Organisationsentwicklung funktioniert und die katholische Kirche von innen kennt, ist eine starke Partnerin auf Augenhöhe. Interessanterweise war ich der Erste, der als Nicht-Theologe als Berater von der damaligen Provinzleitung Schwester Benedicta-Maria engagiert wurde. Ich habe einen sehr weltlichen Blick mitgebracht und hatte zuvor auch noch keine Ordensgemeinschaft beraten.

Empfehlen Sie anderen Ordensgemeinschaften auch, dass sie sich ein ähnliches Tandem für einen Transformationsprozess an die Seite holen?

Käter: Ein Tandem macht auf alle Fälle Sinn. Die Kombination aus weltlichen Managementprozessen und Spiritualität führt zu vielen Möglichkeiten im Organisationsentwicklungsprozess. Ich würde das jeder Ordensgemeinschaft empfehlen, da sich die verschiedenen Blickwinkel bestens ergänzen.

Caspar: Ich würde aus meiner Sicht genau das Gleiche sagen. Klöster sind ja Orte, die etwas anders funktionieren als herkömmliche Organisationen. Hier hat der spirituelle Teil des Tandems eine wichtige Übersetzungsarbeit zu leisten, damit sich die Ordensgemeinschaften und die weltlichen Organisationsentwickler verstehen. Umgekehrt ist das natürlich genauso. Das Wichtigste ist, dass beide gut zueinanderfinden und daraus neue Visionen und Entwürfe entstehen.

Andreas Käter
Andreas Käter rät den Ordensgemeinschaften, sich auf ihre Kraft und Stärke zu besinnen.

Wie haben Sie dann Ihren spirituellen Organisationsentwicklungsprozess inhaltlich aufgebaut und gestartet?

Käter: Vorneweg gab es schon mal zwei Vorteile: Zum einen, dass Elsbeth Caspar schon einige Jahre für die Provinzleitung als Supervisorin tätig war und dass die Gemeinschaft schon auf die Entwicklung der Zukunft ausgerichtet war. Zum anderen war es perfekt, dass sich schon im Vorfeld die Vision der zwei Bethlehem-Sterne entwickelt hatte, die für die Ordensgemeinschaft und die weltliche Mitarbeiterschaft stehen. Außerdem war der Leitspruch „Sieh nach den Sternen, gib acht auf die Gassen“ ein guter Fixpunkt. Wir haben dann in unserem Prozess die Vision weiterentwickelt und geschärft.

Schwester Benedicta-Maria, die damalige Provinzleitung, war in diesem Prozess die Visionärin, die weitsichtig und gestalterisch in die Zukunft gedacht hat. Gerade Elsbeth Caspar hat die Gemeinschaft darin unterstützt, dass alle in der Gemeinschaft mitgenommen und nicht abgehängt werden. Dann gab es natürlich Fragen, die es zu klären galt: Aus welchen Motiven will sich die Gemeinschaft auf den Weg machen? Was passiert mit den Werken? Soll eine Stiftung gegründet werden?

Wichtig bei einer Transformation ist, ob die Beteiligten – hier in Hegne waren es die Schwestern und die Mitarbeiterschaft – Chancen und Möglichkeiten im Zukunftsprozess sehen. Gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München haben wir eine Mitarbeiterbefragung unternommen und hatten dann eine gute Vorstellung, wo wir gemeinsam stehen.

Elsbeth Caspar und ich sind oft abends zusammengesessen und haben überlegt: Welches Bild brauchen wir morgen, welche Geschichte resoniert jetzt in diesem Prozess? Die Tiefe, in die man hier einsteigt, ist nicht zu vergleichen mit normalen Organisationsentwicklungsprozessen.

Caspar: Was ganz entscheidend war, als wir starteten: Es gab eine Person, Schwester Benedicta-Maria, die eine starke und feste Vision hatte. Sie hatte die feste Überzeugung, dass Hegne ein Schöpfungsort Gottes werden könnte. Diese Spur, die sich dann in den beiden Bethlehem-Sternen verbildlicht hat, haben wir im ganzen Prozess nur zweimal kurz verloren. Die Visionsfindung hat hauptsächlich schon vor unserem Organisationsentwicklungsprozess stattgefunden und stand damit schon auf einem soliden Fundament. Die Vision war wie eine Kraft, die nach vorne gezogen hat. Wir externen Berater haben mit unserem Fachwissen unterstützen können. Hat eine Gemeinschaft keine Vision, erscheint mir das sehr schwierig. Falls sich keine Vision entwickelt, ist es klüger, wenn die Ordensgemeinschaften die Räume für Menschen freigeben, die eine Vision haben, auch wenn sie von extern sind.

Sr. Benedicta-Maria
Schwester Benedicta-Maria – ehemalige Provinzleiterin und Visionärin der Transformation des Kloster Hegne
Sr. Benedicta-Maria
Sie sagt, dass die „Vision, die wir entwickelt haben, schon von Gott geführt war“.

Haben Sie einen Tipp für Ordensgemeinschaften, die vielleicht keine Visionärinnen oder Visionäre in ihren Reihen haben? Was wäre Ihr Rat?

Käter: Solche Visionärinnen und Visionäre sind natürlich ungeheuer wertvoll, weil sie andere Menschen begeistern und mitnehmen können. Fehlt in einer Gemeinschaft die Vision, stellt sich in gewisser Weise die Frage, wo diese Gemeinschaft überhaupt steht und ob sie für die Zukunft Chancen und Möglichkeiten findet. In Hegne haben wir mit dem WerteKompass eine weltliche Sprache für das gefunden, was den Geist der Ordensgemeinschaft ausmacht. Etwas, das weiter schwingt in die weltlichen Führungs- und Mitarbeiterebenen, sodass man spüren kann, dass hier etwas anders ist als in einem normalen Unternehmen. Dieser Ort wird dann Menschen anziehen, die genau diesen Traum haben, in der Welt und an diesem Ort, beispielsweise in Hegne, mit ihren Talenten wirken zu können.

Ist es wirklich so schwierig, das Charisma bzw. die Tätigkeiten der Ordensgemeinschaft mit weltlichen Kräften umzusetzen?

Caspar: Für mich stellt sich eher die Frage, ob die alteingesessenen Besitzer, also diejenigen, die das Kloster und die Dienste aufgebaut haben, die Offenheit mitbringen, es den Erben zu übertragen? Klöster, die sich das vorstellen können, haben gute Chancen, etwas Neues aufzubauen oder das Bewährte in die Zukunft zu überführen. Nach langer Zeit gibt es nun erstmals eine Schwester und einen weltlichen Mitarbeiter, die gleichgestellt verantwortlich sind. Wenn eine Ordensgemeinschaft sich nicht an diese Trennlinie zwischen der Ordensgemeinschaft und der Welt heranwagen möchte, dann wird es meiner Meinung nach ganz schwierig, gemeinsam etwas aufzubauen. Natürlich kann man das Kloster in andere Hände geben. Aber für das, was in Hegne mit dem WerteKompass und dem spirituellen Kern versucht wurde, ist es wichtig, sich ganz nah an die Trennlinie zu wagen.

Käter: Es braucht Mut, sich von Sachen zu trennen. Zum einen müssen sich Ordensgemeinschaften aus Altersgründen vom operativen Geschäft trennen. Dann ist die Frage, welche Rolle nehmen sie danach ein? Denn in Hegne sind von den rund 195 Schwestern viele noch fit und möchten weiter etwas bewegen. Die weltlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich dann trauen, Verantwortung zu übernehmen, gerade wenn die Schwestern noch da sind. Es geht hier nicht um einen hundertprozentigen Abgleich, sondern darum, dass die (weltlichen) Erben das Neue authentisch anpacken und leben. Dafür braucht es auch Strukturen und Prozesse. Aber das Wichtigste in Hegne war und ist der spirituelle Kern.

Caspar: Ich glaube auch, dass sich der Begriff Kloster und die Kultur dahinter neu entwickelt. Beispielsweise kenne ich eine Familie, die in einem ehemaligen Kapuzinerkloster seit 30 Jahren ein Haus der Gastfreundschaft betreibt. Mittlerweile werden sie dort als das Kloster angesehen.

Zurück zu Ihrer Frage: Es ist nicht schwierig, aber das Neue im Kloster kann sich nur mit der Zeit entfalten. Hier steht die Gesellschaft noch am Anfang eines Prozesses. Das Kloster wird sich in Zukunft weiter zu einem Ort der Gemeinschaft und Zuwendung entwickeln, auch mit neuen Verantwortlichen, die ganz weltliche Menschen sind.

Wie war es denn im Kloster Hegne?

Käter: In Hegne war die Situation dahingehend besonders, dass die Werke und Unternehmen schon von weltlichen Menschen geleitet wurden. Viele Klöster sind leider schon halb verlassen. Bei einer Transformation brauche ich aber immer den Dialog zwischen Tradition, Spiritualität und dem, was in der Zukunft möglich sein könnte. Natürlich kann ich hier durch Organisationsentwicklung unterstützen und fragen, was sind denn Projekte, die umgesetzt werden sollen? Wo gibt es Räume, die neu genutzt werden können? In Hegne war es toll, dass die Wurzel fest verankert war und sich das Besondere noch deutlich gezeigt hat.

Welche Herausforderungen sehen Sie für Hegne in der Zukunft?

Käter: Eine große Herausforderung besteht darin, dass in den nächsten drei Jahren ein Wechsel der Führungsebenen in den Werken zu rein weltlichen Leitungen stattfinden muss. Da tut sich gerade ein neues Fenster auf, wie sich dieser Übergang gestaltet. Eine zweite Herausforderung besteht darin, das Zusammenwirken von Stiftung und Ordensgemeinschaft weiter zu schärfen. Hier gilt es, auf Grundlage des spirituellen Kerns eine gute Form der Zusammenarbeit zu finden, die nicht nur funktional hierarchisch funktioniert. Es braucht etwas Neues, das arbeitsfähig und entscheidungsfähig ist. Ich sehe da schon einige Schritte, die eingeleitet und gestaltet gehören.

Welchen Tipp haben Sie für Ordensgemeinschaften und Nachnutzer?

Käter: Wir ermöglichen durch unsere Arbeit, dass die Ordensgemeinschaft mehr sieht, als sie es bisher getan hat. Wir tragen dazu bei, dass Räume entstehen, die gefüllt werden können. Ich wünsche den Ordensgemeinschaften, dass sie nicht nur auf die Defizite wie Überalterung schauen, sondern auf ihre Kraft und Stärke, auf all das, was sie geschaffen haben. Und falls die Kraft schwindet, gibt es Möglichkeiten, die frei werdenden Räume zu füllen. In Hegne sind viele Ideen geweckt worden. Über allem aber stand der Auftrag „Das Bedürfnis der Zeit ist der Wille Gottes“. Diese Aufgabe weiterzuführen, war das Ziel des Transformationsprozesses. Eine solche Bestimmung für jedes Kloster zu finden, wünsche ich beiden Seiten.

Caspar: Ich wünsche mir, dass Ordensgemeinschaften fest daran glauben, dass sie etwas Bedeutendes aufgebaut und geschaffen haben, das für andere Menschen und für eine ganze Kultur von Bedeutung ist, und sie dann den Prozess der Transformation gehen. Für Nachnutzer hoffe ich, dass sie die Räume, die frei werden, mutig und gestalterisch nutzen. Beiden wünsche ich, dass sie ganz nah an die Trennlinie von Orden und Welt herangehen, um dort gemeinsam das Neue zu wagen.