Viel Co im Kloster Schlehdorf

Kurz vor dem Ortsschild von Schlehdorf bietet sich von der Landstraße ein wunderbarer Blick auf das 300 Jahre alte Kloster Schlehdorf. Gelegen auf einer kleinen Anhöhe grüßt das Baudenkmal eindrucksvoll in das bayerische Oberland und den kleinen Ort am Kochelsee. Aus der Ferne sieht es aus wie ein normales katholisches Kloster, von denen hier in der Gegend viele zu finden sind. Steigen Besucherinnen und Besucher jedoch die 32 Stufen von der Hauptstraße in Schlehdorf hoch zum Klostervorplatz, dürften sie überrascht sein. Statt auf Ordensschwestern treffen sie auf eine weltliche Gruppe von Menschen, die im Klosterhof gemeinsam essen, plaudern und Gemeinschaft pflegen. Scheinbar werden die letzten Sonnenstrahlen des Tages genossen, bevor die Sonne hinter dem Berg verschwindet. Links neben der Klosterpforte gibt ein Schild mit der Aufschrift Cohaus Kloster Schlehdorf einen ersten Hinweis darauf, warum keine Ordensschwestern zu sehen sind. Im Kloster ist unter Federführung der Münchner Wohnungsgenossenschaft Wogeno eG ein Wohnprojekt mit Gäste- und Seminarbetrieb entstanden. Bei einem Besuch kommen wir mit den Menschen vor dem Kloster ins Gespräch und erfahren interessante Details.

Kloster Schlehdorf
Blick auf das Kloster Schlehdorf, das am Fusse der Alpen am Kochelsee liegt.

Clusterwohnen im Kloster

Die Missions-Dominikanerinnen haben im März 2018 das Kloster verlassen und einen altersgerechten Neubau im Ort bezogen. Im Januar 2020 ist das Kloster Schlehdorf für etwas über vier Millionen Euro in den Besitz der Genossenschaft übergegangen. 10.000 qm Klosterfläche und über 300 Räume sollen nach und nach einer neuen Bestimmung zugeführt werden – hauptsächlich für Wohnzwecke. „Ach, im Kloster wurden also Eigentumswohnungen eingebaut?“, werden die Bewohnenden daher häufig gefragt.

Nein, keine Eigentumswohnungen sind entstanden, sondern sogenanntes Clusterwohnen. Diese Antwort mag überraschen, verwundert aber nicht, wenn man die Werte der Wogeno (sozial, ökonomisch und ökologisch) und den Grundgedanken der Missions-Dominikanerinnen (Leben in Gemeinschaft) betrachtet. Wie funktioniert aber dieses Gemeinschaftswohnen im Cohaus Kloster Schlehdorf genau?

Hier leben Alleinstehende, Paare und einige Familien unter einem Klosterdach. 46 einzelne Zimmer, fast alle mit Bad, werden vermietet. Die Einheiten haben eine Größe von elf bis 40 qm. Eine gemeinsame Küche und ein Aufenthaltsraum stehen jedem Cluster zur Verfügung. Die Einrichtung und Finanzierung der Gemeinschaftsräume inklusive der Einbauküche liegt in den Händen der jeweiligen Clustergemeinschaft, zu denen zwischen vier und 14 Zimmer gehören. Die Mieten belaufen sich auf 295 bis 950 Euro pro Zimmer. Darin inbegriffen sind das eigene Zimmer, die Gemeinschaftsräume im Cluster und weitere Räume im Kloster (Fahrradkeller, eine Holzwerkstatt, ein Tischtennisraum). Das Gemeinschaftswohnen führt den Grundgedanken der Missions-Dominikanerinnen hinsichtlich Leben und Arbeiten fort. Für die Wogeno eG dient das Cohaus auch als Zukunftslabor, um neue Wohnkonzepte im ländlichen Raum zu erproben. Platz dafür ist in der einladenden Gemeinschafts- und Seminarküche, in der alten Waschküche der Schwestern, in der hauseigenen Kapelle, im innen liegenden Rosengarten und im gemeinschaftlich gepflegten außen liegenden Garten. All diese Räume können von der Hausgemeinschaft clusterübergreifend genutzt werden.

Tricks und Kniffe bei der Transformation

Die Genossenschaft hat sich bewusst für Wohncluster entschieden. Die Nachnutzung orientiert sich stark an der vorhandenen Gebäudestruktur und dem alten Nutzungskonzept der Ordensgemeinschaft. Dennoch waren zahlreiche und teils aufwendige Umbaumaßnahmen nötig, um die Anforderungen des Brand- und Denkmalschutzes zu erfüllen. Im Garten wurde die Feuerwehrzufahrt erweitert und im Haus wurden auf allen Etagen Brandschutztüren neu eingebaut, die Brandmeldeanlage wurde mit Sirenen und Rauchmeldern verkabelt und in allen Gängen eine Sicherheitsbeleuchtung angebracht. Zusätzlich zum Kaufpreis in Höhe von 4,2 Mio. Euro entstanden Sanierungskosten von 3,8 Mio. Euro für zwei Bauabschnitte. Ursprünglich war die Genossenschaft von deutlich weniger Investitionen ausgegangen, die jedoch im Projektverlauf unter anderem aufgrund der genannten Maßnahmen sukzessive zunahmen.

Neben den aufwendigen Umbauarbeiten hat noch ein anderer Faktor für Spannung gesorgt. Die Ordensgemeinschaft war nämlich nicht die einzige Eigentümerin des Gebäudes. Der Freistaat Bayern besitzt das sogenannte Prälatentreppenhaus mit sechs Räumen. Das Treppenhaus verbindet im Kloster den Nord- und Südtrakt des Gebäudes. Zusätzlich hat die Katholische Kirchenstiftung Schlehdorf historisch gewachsene dingliche Nutzungsrechte an Räumen im Kloster.

Aus diesen Gründen trat die Genossenschaft mit beiden Partnern in Verhandlungen, die nach einem langwierigen Prozess teilweise schon von Erfolg gekrönt sind. Hierfür nötig waren unzählige Gespräche mit allen Beteiligten sowie der Wille, das Projekt nicht aufzugeben. Mit der Pfarrei gab es bereits eine zufriedenstellende Einigung, aber die Gespräche für das Prälatentreppenhaus laufen noch. Bis zur endgültigen Entscheidung dient es schon als Fluchtweg für die Hausgemeinschaft.

Zwei Dinge waren für den gesamten Transformationsprozess wichtig: Zum einen verständigte sich die Wogeno eG mit den Schwestern auf einen eineinhalbjährigen Probebetrieb. So hatten beide Seiten Zeit, sich kennenzulernen und zu prüfen, ob ein Kauf und Verkauf eine gute Entscheidung ist. Zum anderen gab es eine Rücktrittsklausel vom Kaufvertrag für die Genossenschaft, für den Fall, dass bis zu einem bestimmten Datum keine unanfechtbare Nutzungsgenehmigung des Landratsamtes vorliegt.

Sicherlich haben die Gebete der Schwestern dazu beigetragen, dass diese Klausel nicht zum Einsatz kam und das Projekt weiter Gestalt annahm. So wird das Baudenkmal wie zu Zeiten der Schwestern nun nicht nur zum Wohnen, sondern auch zum Arbeiten genutzt. Dafür stehen 16 Gewerberäume in einer Größe von 25–75 qm zur Verfügung. Die Studios bestechen durch ihre Schönheit: hohe Räume, teilweise mit Deckenmalerei und Stuck verziert, und große Fenster, die den Blick auf die wunderbare Natur freigeben, ermöglichen kreatives Schaffen. Früher waren hier beispielsweise eine Paramentenstickerei, eine Hauswirtschaftsschule und eine Näherei untergebracht. Zwei Therapeutinnen, eine Kulturmanagerin, eine Künstlerin und der Verein Zukunft Kulturraum Kloster schätzen als Gewerbemieter das besondere Flair der Räumlichkeiten, die zwischen 400 und 1.200 Euro pro Monat kosten.

Die neue Gemeinschaft

Wie wir erfahren haben, gibt es aber einen Wermutstropfen im neuen Nutzungskonzept. Bis zur endgültigen Nutzungsaufnahme durfte in den hellen und großzügigen Studios auch gewohnt werden. Nun sind diese nur noch gewerblich nutzbar. Und nicht nur für Familien, sondern auch für Singles birgt das Alltagsleben in den kleinen Zellen einige Herausforderungen und hat zu einer gewissen Fluktuation innerhalb der Hausgemeinschaft geführt.

Die Gruppe vor der Klosterpforte in der Abendsonne sieht jedoch sehr vergnügt aus. Welchen Gewinn bringt also das innovative Leben im Kloster den Bewohnerinnen und Bewohnern? Einige Antworten erhält man beim Gespräch im Klosterhof:

  • „Ich lebe lieber in Gemeinschaft auf dem Land als alleine in der Stadt.“
  • „Hier kann ich an einem besonderen Ort wohnen und arbeiten.“
  • „Ich wollte einfach mal was Neues ausprobieren.“
  • „Ich finde es erfüllend, mitgestalten zu können.“
  • Oder auch: „Für mich als Mensch ist diese Wohnform bereichernd und bringt mich persönlich weiter.“

Das sind Worte, über die sich auch die Schwestern freuen. Ihr besonderer Wunsch war, dass ihr altes Kloster weiterhin ein Haus der Bildung bleibt. Dieser Gedanke ist ganz im Sinne des neuen Besitzers. Im kleinen Gäste- und Seminarbetrieb (mit elf Gästezimmern und drei Seminarräumen) des Cohauses stehen die Klostertüren der Allgemeinheit offen. Die Erzbischöfliche Realschule mit ihren 300 Schülerinnen und Schülern, aufgebaut von den Schwestern und fest etabliert in der Region, bleibt als Pächterin wie gehabt im Kloster. Für die Klosterküche, die pro Tag knapp 1.000 Essen produzieren kann, wurde nach Anlaufschwierigkeiten ein innovatives Konzept gefunden. In der hauseigenen Klosterkapelle finden regelmäßige Gottesdienste und Konzerte statt.

Alles in allem ist die Transformation vom Kloster in das Cohaus Kloster Schlehdorf eine Erfolgsgeschichte. Besonders schön: Die Schwestern sind glücklich mit der Nachnutzung des Klosters und fühlen sich in ihrem alten Zuhause willkommen. So trifft sich die alte und neue Klostergemeinschaft zu regelmäßigen Feiern im Cohaus und pflegt ihre freundschaftlichen Bande.

Natürlich gibt es dennoch Entwicklungspotenzial. So soll der Coworking-Bereich weiter ausgebaut werden und einige Gewerberäume warten auf eine kreative Nachnutzung und Verwendung.

Sie wollen mehr über das Projekt wissen? Mieten Sie sich doch einfach mal in einem der Gästezimmer ein, um das transformierte Kloster zu besuchen. Noch offene Fragen können Sie sicher bei einem Gespräch in der Abendsonne vor der Klosterpforte mit den Bewohnerinnen und Bewohnern klären.