Frieder Vogelsgesang ist Leitender Baudirektor und Sachgebietsleiter für den Staatlichen Hochbau bei der Regierung von Oberbayern. Die Staatliche Hochbauverwaltung ist zuständig für staatliche Baumaßnahmen unterschiedlicher Art, unter anderem für Verwaltungsbauten, Museen, Theater, Schlösser und den Hochschul- und Institutsbau, einschließlich des universitären Krankenhausbaus. Ein Schwerpunkt ist außerdem die Betreuung kirchlicher Gebäude, für die entweder eine staatliche Baupflicht besteht oder die sich im Eigentum des Staates befinden.
Frieder Vogelsgesang kümmert sich beim Staatlichen Hochbau um Neubauten und Sanierungsmaßnahmen des Freistaats Bayern der verschiedenen Ressortministerien, darunter historische Gebäude, Kirchen und aktuell auch zwei Klöster. Seit 2008 ist er für die CSU Mitglied im Bezirksausschuss des Münchner Stadtteils Pasing-Obermenzing, den er für die Wahlperiode 2020 bis 2026 auch als Vorsitzender leitet. Dort setzt er sich für die Gestaltung und Belebung des Münchner Westens ein.
Wir treffen Frieder Vogelsgesang an einem ungewöhnlich schönen Tag Ende März im Garten des Kloster Schlehdorf. Es ist so warm, dass er sich ärgert, die 60 Kilometer von München Richtung Berge nicht auf dem Motorrad angetreten zu haben.
Welche Bedeutung haben die Klöster in Oberbayern für Ihr Amt und auch für Sie ganz persönlich?
Es gibt keine Region in Bayern, in denen Sie nicht auf Klöster treffen. Sie gehören ganz maßgeblich zu unserer Kulturlandschaft. Deswegen sehe ich es auch als eine wichtige Aufgabe für die Politik an, den Erhalt der Klöster und damit auch die Nachnutzer zu unterstützen. Ein Gebäude muss ja eine Funktion haben. Wenn diese wegfällt, bleibt nur eine leere Hülle. Ich engagiere mich daher gerne in diesem Bereich und werbe dafür, dass Klöster, die aufgegeben werden, eine neue Bestimmung finden können. Dafür sind pragmatische Lösungen seitens der Verwaltung erforderlich, an denen es aktuell leider oftmals mangelt. Und natürlich braucht es den politischen Willen.
Was ist die Rolle der Regierung von Oberbayern bei der Transformation des Kloster Schlehdorf?
Als Staatliche Bauverwaltung sind wir auch für die Betreuung kirchlicher Gebäude zuständig. In Schlehdorf ist das ehemalige Kloster der Missions-Dominikanerinnen durch die Kirche St. Tertulin in der Mitte getrennt. Die Kirche, die von der Pfarrgemeinde Schlehdorf als Pfarrkirche genutzt wird, und das zugehörige denkmalgeschützte Treppenhaus gehören dem Freistaat Bayern. Der Nachnutzer möchte gerne das Treppenhaus kaufen, das ja sein neu erworbenes Kloster in zwei Teile teilt und das er ohne dieses Treppenhaus nicht sinnvoll nutzen kann. Diesbezüglich stehen wir in Verhandlungen.
Allerdings benötigt der ansässige neue Pfarrer für seine Gemeinde ebenfalls Zugang zu dem historischen Treppenhaus, da sich der Kirche zugeordnete Räumlichkeiten unmittelbar an diesem Treppenhaus befinden. Verschiedenste Stellen der Verwaltung sind aktuell damit befasst, die historisch gewachsenen Nutzungsrechte und die unterschiedlichen Interessen zu eruieren und eine tragfähige Lösung zu erarbeiten. Hier stockt der Prozess und falls es zu keiner Einigung kommt, könnte im schlimmsten Fall der Kaufvertrag rückabgewickelt werden. Das wäre eine Katastrophe für die Missions-Dominikanerinnen und natürlich auch den Nachnutzer!
Ich bin hier nun in eine Art vermittelnde Rolle zwischen dem Freistaat, der Pfarrgemeinde Schlehdorf und der Wogeno als Nachnutzer geraten. Das gehört zwar nicht unbedingt zu meinem Aufgabengebiet, aber mir liegt dieses tolle Projekt mit den engagierten Parteien persönlich am Herzen. Und nun zieht sich das Ganze schon seit knapp einem Jahr.
Warum ist dieser Prozess so zäh?
Der neu bestellte Pfarrer hat Ideen für ein lebendiges Gemeindeleben entwickelt und beruft sich hierbei auf Rechte der Amtskirche, die nicht zweifelsfrei nachzuvollziehen sind. Leider gab es sehr schnell verhärtete Positionen und es fand kein offenes Gespräch der Protagonisten statt. So ist eine Art Dreieckskommunikation entstanden. Aber auch in unseren Häusern geht sehr viel Zeit verloren, da jedes Kloster und jede Nutzungsübertragung einen ganz speziellen Fall darstellt und es keine strukturierten Leitlinien zur Vorgehensweise gibt. Hier werden die Verantwortlichkeiten und erforderlichen Entscheidungen zwischen dem Kultusministerium, der Immobilien Freistaat Bayern, der Regierung von Oberbayern und dem Staatlichen Bauamt Weilheim viel zu häufig hin und her gespielt und immer von Neuem hinterfragt. Stellungnahmen blieben intern und helfen so den ebenfalls beteiligten Parteien Kirche und Cohaus Kloster Schlehdorf kaum weiter. Es bräuchte auch bei uns zügige und klare Entscheidungen, wahrscheinlich von oberster Ebene.
In welchen Bereichen sehen Sie die größten Herausforderungen für die Transformation von Klöstern? Beispielsweise in Bezug auf die Art der Nachnutzung, den Denkmalschutz, den Brandschutz oder die Koordinierung der zahlreichen Institutionen und Eigentümer?
Wie schon erwähnt, hat eine Nachnutzung auf dem Weg bis zur Genehmigung viele Hürden zu nehmen. Diese Hürden können politischer, aber auch verwaltungstechnischer Natur sein. Der Umstand, dass zunehmend wichtige Führungspositionen in Kirche und Verwaltung mit Juristinnen und Juristen statt mit Fachleuten besetzt werden, erschwert die Kommunikation und die inhaltliche Arbeit, wenn es um baufachliche Fragen geht. Und wie das Beispiel Schlehdorf zeigt, sind bei Klöstern, die seit Jahrhunderten bestehen, natürlich auch viele historische Beziehungen gewachsen. Da wurden einer Pfarrgemeinde vielleicht vor 200 Jahren Zusagen gemacht, die bei einem Eigentümerwechsel wieder ans Licht kommen und eine Sachlage für den Nachnutzer verkomplizieren können.
Was könnte Ihrer Meinung nach die Transformation eines Klosters vereinfachen?
Wir bräuchten vereinfachte Entscheidungsstrukturen in unseren Ämtern und auf oberster Ebene einen Kümmerer für Klöster mit hoher fachlicher Kompetenz. Auch fehlt uns eine Fehlerkultur, wie sie beispielsweise in den großen internationalen Technologieunternehmen vorhanden ist. Fehler machen muss möglich sein. Denn aus ihnen kann man viel lernen. Durch die ständige Sorge, Fehler zu machen, bleibt in unserer Gesellschaft bzw. in unseren Verwaltungen hingegen vieles unentschieden, wird von einem Schreibtisch zum nächsten delegiert. Das erzeugt eine hohe Unsicherheit für den Nachnutzer und kann die Übernahme eines Klosters zum Scheitern bringen. Ich möchte an alle Kolleginnen und Kollegen appellieren, die mit einer Nachnutzung befasst sind: Trauen Sie sich, Entscheidungen zu treffen! Dokumentieren Sie Ihre Entscheidungsgrundlagen und Ihr Vorgehen, damit Sie im Zweifel transparent begründen können, warum Sie wie entschieden haben. Aber entscheiden Sie!
Was halten Sie von der Idee von Stabsstellen in Bundesländern mit zahlreichen Klöstern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen? Und auf welcher Ebene würden Sie diese ansiedeln?
Meiner Meinung nach braucht es eine Unterstützung auf Ebene der Ministerpräsidenten, also von ganz oben. Aktuell gibt es in unseren Ministerien keine Verankerung und keine Ansprechpartnerinnen und -partner für Ordensgemeinschaften und Nachnutzer. Dabei geht es hier um ein wichtiges Kulturgut, insbesondere für Bayern. Auch vonseiten der Amtskirche wäre eine stärkere Unterstützung für Ordensgemeinschaften und Nachnutzer wünschenswert. In der Bauverwaltung der Diözesen sitzen fähige Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir sehr gut zusammenarbeiten. Doch durch die bereits erwähnte Tendenz, entscheidende Stellen nicht mit Fachleuten zu besetzen, wird die inhaltliche Zusammenarbeit stark erschwert.
Welche Empfehlung haben Sie für Ordensgemeinschaften und potenzielle Käufer, die ein Kloster verkaufen bzw. nachnutzen möchten?
Nachnutzer denken meist, dass es in erster Linie gilt, Verwaltungshürden zu nehmen. Das ist natürlich richtig, aber auch der politische Wille ist für eine Umnutzung wichtig. Daher mein Appell: Binden Sie so früh wie möglich neben der Verwaltung auch die politische Ebene ein. Führen Sie Gespräche mit der örtlichen Politik, den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, dem Gemeinderat. Und suchen Sie das Gespräch mit den Abgeordneten im Landtag. Wenn Sie vonseiten der Politik für den Erhalt bzw. die Umnutzung eines Klosters Zustimmung erhalten, dann kann das vieles vereinfachen. Eine klare politische Haltung für den Erhalt der Klöster ist das, was wir brauchen. Dann können auch Fragen der Nutzung, der Finanzierung, des Denkmalschutzes und des Brandschutzes konstruktiv miteinander gelöst werden. Darüber hinaus empfehle ich Nachnutzern eine gute und offene Kommunikation. Sollte die Unterstützung versagt werden, dann bleibt eine gute Öffentlichkeitsarbeit – das kann manchmal helfen, die Politik umzustimmen. Aber noch besser: Schaffen Sie Anlässe, in die Sie die Politik einbinden und die die Vertreterinnen und Vertreter in den Medien in ein gutes Licht rücken. Das kann Bäume versetzen!